Ohne Zweifel war Karl Heinz Mai ein auch bildnerisch äußerst begabter Fotograf, der – zeitlebens unerkannt im Schatten einer aufgezwungenen Privatheit – mit enormer Willenskraft ein Lebenswerk geschaffen hat, das den Horizont persönlicher Lebensbewältigung weit überschreitet.“
Wolfgang Kil, 1989
Lebensdaten
*28. Februar 1920 in Leipzig - † 09. Mai 1964 in Reinharz
Biogramm
Besuch der Berufsschule für Kaufleute bis 1939, Einberufung zum Kriegsdienst, 1941 schwere Verwundung und Amputation beider Beine, Rückkehr nach Leipzig 1943, Zerstörung des elterlichen Wohnhauses bei einem Bombenangriff, bis Kriegsende Aufenthalt im Pfarrhaus in Niederwiesa, nach abermaliger Rückkehr nach Leipzig - zunächst ohne Auftrag - Beginn der fotografischen Dokumentation des Nachkriegsalltags in und um Leipzig, zur Fortbewegung diente ihm ein sogenannter "Selbstfahrer", ab Mitte der 1950er Jahre Auftragsarbeiten für das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig, das Stadtarchiv Leipzig, das Sächsische Landesamt für Denkmalpflege und für das Leipziger Messeamt sowie für Zeitungen, Verlage und kirchliche Einrichtungen. Bis zu seinem Tod 1964 Veröffentlichung von zahlreichen Aufnahmen in Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und Kalendern.
Widmung
Diese Widmung fand ich, als sein Sohn, in einem seiner vielen Foto-Tagebücher.
Vorangestellt im Album 3, dessen Bilder ich, wie auch aus den anderen Alben der Kriegs- und Nachkriegszeit, nie zu Lebzeiten meines Vaters gesehen hatte.
Karl Heinz Mai ist bekannt geworden als der Leipziger Nachkriegsfotograf. In der Fotografie hatte der bei Kriegsende fünfundzwanzigjährige Invalide seine Möglichkeit gefunden, sich in seiner Umwelt zurechtzufinden und sich mit ihr auseinander zu setzen. Mit seiner dokumentarischen Fotografie schuf er ein Portrait seiner Stadt und ihrer Menschen in der Nachkriegszeit aus einer spezifischen Perspektive: Er fotografierte aus dem Rollstuhl heraus, viele seiner Bilder weisen eine Untersicht auf - sie war seine Handschrift. Über die Bedeutung seiner fotografischen Arbeit urteilte die Leipziger Galeristin Christine Rink anlässlich der großen Personalausstellung "Karl Heinz Mai - Die frühen Jahre" in der Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst 1985:
"Bei Karl Heinz Mai wird jedes Foto Dokument jener Zeit, sei es Porträt, Landschaft oder Stillleben. Bestechend durch ihre formale Konzentration und genaue Wirklichkeitsbeobachtung haben die Bilder eine suggestive Ausstrahlungskraft, die vergleichbar mit großen Vorbildern der Fotografie, wie Sander oder Ballhause, sind".
Der Schriftsteller Fritz Rudolf Fries "ergänzte" 1990:
"Man kann diese überraschende Sammlung von Fotografien gewiss eine Sensation nennen".
Künstler-Verzeichnisse
De Gruyter, 2009, Künstlerlexikon online, Berlin:
Künstler ID:_42001623
Katalog New York Public Library / Fotografenidentitäten, 2015.
Fotografisches Repertoire
Stadt- und Alltagsbilder, Straßenfotografie, Bildjournalismus, Portraitfotografie, Zeitzeugnisse vorwiegend von Leipzig, Bilder vom Lande, Reisefotografie, fotografische Notizen, Fotos mit Text im Bild, Beteiligung in Kriegstagebüchern aus dem II. Weltkrieg und Gestaltung von Fotoalben zur Nachkriegszeit und für die Familie.
Bestand
Aufnahmen im Klein- und Mittelformat; s/w, kaum Color
Diapositive (werden derzeit bearbeitet) Color und s/w
Kopien bzw. Vergrößerungen 6x9 und 7x10 cm
Vintage prints, s/w 13x18 cm: 1950-1964
Vintage prints s/w von 18x24 bis 30x40 cm:
Erstvergrößerungen Bromsilbergelatineabzüge ab 1980
Aufnahmetechnik
1938/1939 AGFA-Billy-Compur - evtl. Voigtländer (6x9)
1943 Voigtländer Vito-Kleinbildkamera (Beleg vom Photohaus Bezee Leipzig, Lieferung ins Lazarett Leipzig)
1959 Contax F gebraucht mit Wechseloptik (Kleinbild, Spiegelreflex)
Zubehör
1948 Reflektorlampen für 500 W-Glühlampen, Stativ
1959 Belichtungsmesser, Filter
1960 Teleobjektiv, Weitwinkelobjektiv, Blitzgeräte "Cornet M"
Fotolabor
Kein eigenes Fotolabor
Filmentwicklung, Negativ-Kopien (nur teilweise), 6x9 cm Kopien und 7x10 cm Vergrößerungen bis max. 13x18 cm in Leipziger Fotohäusern:
TEMPO - Leipzig, Katharinenstraße 10-12
Foto Winter, Labor - Leipzig, Magazingasse (Durchgang Innenhof)
Photohaus BEZEE - Leipzig, Neumarkt 14, Eingang Mädler-Passage
Dauerausstellungen
Beiträge mit ein bis fünf Fotografien:
Deutsches Fotomuseum, Markkleeberg bei Leipzig
Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn
Museum in der Runden Ecke, Leipzig
Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Altes Rathaus
Zeitgeschichtliches Forum, Leipzig
Ausstellungen
Ausstellungsverzeichnisse für Personalausstellungen und für Gruppenausstellungen auf der Website und auf Anfrage.
Publikationen
Einen Überblick zu Publikationen finden Sie hier.
Film-Portrait
"Perspektivwechsel - Das Erbe des Karl Heinz Mai" von Arndt Ginzel im Auftrag des MDR - war in der ARD-Mediathek von 2020 bis 2022 abrufbar - Aufführung durch FOTOTHEK MAI LEIPZIG nach Absprache möglich.
Literaturhinweise
Verzeichnete Literaturhinweise erhalten Sie hier.
"Bei Karl Heinz Mai wird jedes Foto Dokument jener Zeit, sei es Porträt, Landschaft oder Stilleben. Bestechend durch ihre formale Konzentration und genaue Wirklichkeitsbeobachtung haben die Bilder eine suggestive Ausstrahlungskraft, die vergleichbar mit großen Vorbildern der Fotografie, wie Sander oder Ballhause, sind".
Christine Rink, 1985
Ausstellungseröffnung "Karl Heinz Mai - Die frühen Jahre" in der Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig, 1985
Karl Heinz Mai war als Reporter des Alltags unterwegs und fotografierte die Zerstörungen, die Enttrümmerung und den Aufbau sowie Kinder, Jugendliche, Alte, Behinderte, Bettler, Heimkehrer, Polizisten, das Leben bis Mitte der 1950er Jahre auch ohne Auftrag vorwiegend in der Heimat. Bilder, die kaum einer so aufgenommen hat, fast alle mit seiner typischen Untersicht und der formatfüllenden Abbildung.
Fotografien von Straßen und Plätzen, öffentlicher Gebäude und Wohnbauten Leipzigs befinden sich allein mit über achthundert Motiven in der Deutschen Fotothek Dresden und dem Marburger Bildindex für Kunst und Architektur. Stadtmöblierung, Kunst, Denkmale und architektonische Details, die Transformation des urbanen Raumes wurden in rund zwei Dezennien umfangreich dokumentiert.
Die Jahre 1940 bis 1949 wurden fotografisch dokumentiert und in Fototagebüchern journalistisch aufgearbeitet.
Ab Mitte der 1940er Jahre standen Abriss und Aufbau, die Leipziger Messe, Märkte, Reise-, Straßenverkehr, Demonstrationen, Verrohrung bzw. Überwölbung der Flüsse, Kirchentag 1954, auch Parks und Landschaften im Fokus - mit Interesse bei Verlagen und Archiven.
Die meist temporären Texte für Politik, Handel, Gewerbe und Veranstaltungen auf Transparenten, Flugblättern, Plakaten,
an Läden, Litfaßsäulen, auf Hinweistafeln, Aufstellern und sonstigen Agitations- und Werbeflächen ergänzt durch Gedenktafeln, Wegweiser, Firmenschilder, Leuchtreklamen, bilden eine eigenes Thema. Ihre Inhalte vermitteln den Zeitgeist und sind eine wichtige Brücke zum fotografischen Werk.
Als mobiler Fotograf war er für Familien, in Kindergärten, für Bauern, Beamte, Händler und Handwerker, für Kirchen und kirchliche Einrichtungen in Stadt und Land im Rollstuhl per Muskelkraft unterwegs. Die Kennkartenfotos, Fotos von sowjetischen Soldaten, Trümmerfrauen, die privaten Modefotos, Berufsbilder und Kinderaufnahmen gehören zu seinen bekanntesten Fotografien.
Reisen waren für Karl Heinz Mai besonders beschwerlich und bis Ende der 1950er Jahre nur per Eisenbahn im Gepäckwagen möglich. Mit gleicher Intuition fotografierte er bei Aufenthalten z.B. in Karl-Marx-Stadt, Berlin, Potsdam, Dresden, Frankfurt/Main, Baden-Baden und am Rhein. Er schuf damit eine persönliche Sicht von außen auf Städte und Landschaften und bei Urlauben die Erinnerungsbilder für die Familienalben.
Die Fotografien von Karl Heinz Mai gehören nicht nur zu den kulturellen Schätzen der Stadt Leipzig, sondern sind hervorragende Zeugnisse der deutschen Alltagsgeschichte zwischen Zerstörung und Wiederaufbau in der Mitte des 20. Jahrhunderts.
Christoph Kaufmann, Leiter der Fotothek im Stadtgeschichtlichen Museum, 2019
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